Briefe an Freunde, Novosibirsk (Norbert Schott)

IKEA

20. November 2007

Seit heute haben wir in Novosibirsk einen IKEA. Anbei ein kleiner Artikel, den ich vor zwei Wochen anlässlich der geplatzten Eröffnungsfeier geschrieben hatte.

IKEA in Russland. Auf den ersten Blick eine Erfolgsgeschichte, auf den zweiten Blick ein gutes Beispiel für die Schwierigkeiten westlicher Unternehmenskultur in Russland.

Im Jahr 2000 eröffnete in Moskau die erste Filiale des schwedischen Möbelhauses. 50.000 Besucher am ersten Tag waren ein solcher Erfolg, dass es eine Reportage über die Eröffnung bis in die deutschen Kinos schaffte. Inzwischen gibt es in Moskau drei IKEA-Häuser, in St. Petersburg zwei und jeweils eines in Kasan, Jekaterinburg und Nischni Nowgorod. Zu jedem IKEA gehört eine riesige MEGA-Mall. Diese Einkaufszentren machen das Unternehmen zu einem der größten Immobilienvermieter in Russland.

Trotz des rasanten Wachstums – mindestens ein neues Einkaufszentrum inklusive Möbelmarkt pro Jahr – lassen sich am Beispiel IKEAs viele Probleme des russischen Marktes demonstrieren. Bereits 2000 richteten sich die Schweden darauf ein, erst nach einem knappen Jahrzehnt in Russland Gewinne machen zu können. Schuld sind die hohen Einfuhrzölle in Russland, die sich auch auf die Preise in den Filialen durchschlagen. Deswegen will IKEA vermehrt in Russland produzieren, um die Zölle zu umgehen – eine Strategie die Russland in seiner Zollpolitik bestärkt.

Ein anderes Problem ist das Aufeinanderstoßen von russischer und europäischer Geschäftskultur. Auf den Tag genau durchkalkulierte Businesspläne sind in Russland eher ungewöhnlich – was IKEA inzwischen mehrfach erfahren durfte. Angesetzte Eröffnungstermine wurden mehrmals durch die lokalen Behörden, Gerichte oder Baufirmen durchkreuzt.

Neuestes Beispiel ist Nowosibirsk: Am späten Vorabend der Eröffnung der neuen MEGA-Mall meldete das Rathaus offiziell, dass die Eröffnung untersagt worden sei, weil eine vertraglich zugesicherte Zufahrtsstraße nicht im vereinbarten Umfang fertiggestellt worden wäre. Kurz vor Mitternacht gaben die Schweden klein bei und akzeptierten die Verordnung. Die aufziehende Polizei, die am nächsten Tag das gesamte Einkaufszentrum demonstrativ abriegelte, dürfte bei der Entscheidung geholfen haben.

In Interviews mit lokalen Zeitungen klingt Peer Kaufmann, Generaldirektor von IKEA Russland, auffällig zahm. Die strittige Zufährt wäre natürlich schon fertig, man hätte jedoch selbst eingesehen, dass man sie noch besser machen könnte. „Aber ich weiß, dass der Bürgermeister hofft, dass wir in nächster Zeit alle notwendigen Genehmigungen bekommen“, so Kaufmann gegenüber dem Onlineportal ngs.ru.

Die Nowosibirsker reagieren gemischt. Die einen jubeln, dass es der Bürgermeister den ausländischen Kapitalisten mal richtig gezeigt hat, die anderen finden das Verhalten beschämend und vermuten, dass nicht genug Schmiergeld geflossen ist. Hier zeigt sich ein anderes Problem für Investoren: Wer, wie IKEA, nicht bereit ist, Geld in schwarze Kassen fließen zu lassen, muss sich auf derartige Widrigkeiten einstellen.

Auch in Moskau 2004 sollte die Erweiterung des Möbelhauses um ein Einkaufszentrum an der Zufahrtstraße scheitern, die zu nahe an einer Gasleitung lag. Eine alternative Brücke wurde jedoch jahrelang durch die Behörden blockiert. Letztendlich wurde das Problem durch eine offizielle Spende von einer Million Dollar für den Aufbau von Sporteinrichtungen gelöst.

Ähnliche bürokratische Probleme gab es mit der Umweltverträglichkeit der Filiale in St. Petersburg 2002 sowie mit dem Brandschutz in Nischni Nowgorod 2006. Hier waren ernsthafte Mängel jedoch nicht von der Hand zu weisen – nach einem tödlichen Unfall mit Einkaufswagen auf einer Rolltreppe wurde der Markt für mehrere Wochen geschlossen.

IKEA lässt sich durch all die Widrigkeiten nicht vom russischen Markt abbringen und investiert weiterhin Milliarden in den Bau neuer Möbelmärkte und MEGA-Malls. In Omsk, 700 Kilometer westlich von Nowosibirsk, wurde kürzlich der Grundstein gelegt – zusammen mit einem lächelnden Bürgermeister.

Nun ist der IKEA also offen, Herr Kaufmann erklärt freudig, dass dies der "fertigste IKEA ist, welcher je in der Firmengeschichte eröffnet wurde". Und auch der stellvertretende Bürgermeister war vor Ort und erzählt, wie toll er doch alles findet. Ich muss los, Regale einkaufen!