Briefe an Freunde, Novosibirsk (Norbert Schott)

Ausflug nach China

21. September 2004

Zur Abwechslung kommt dieser Bericht aus China, Peking. China ist natürlich nicht minder spannend als Russland. Es hat sich viel geändert hier in den letzten Jahren. Wo während meinem Urlaub in Peking 2000 noch alte Viertel mit maximal zweietagigen Häusern (Hutongs) standen, sind nun große Baustellen oder bereits neue Viertel mit minimal zwanzigetagigen Häusern. Allenfalls rund um die verbotene Stadt dürfen ein paar Hutongs weiter existieren, dennoch teilweise saniert, sprich abgerissen und nachgebaut.

Radfahren ist noch gefährlicher, als es schon früher war. Wurde man damals gelegentlich von Bussen überfahren, erledigen dies nun die privaten Volkswagen. Der olle VW Jetta wird hier berühmter als er je in Deutschland war. Radfahrer haben noch immer ihre vier Meter breiten Spuren, aber nicht mehr auf engen Straßen, sondern neben breiten Autobahnen. Fünf Ringe durchziehen die Stadt, zwei weitere sind in Bau.

Ich habe mir natürlich gleich ein Fahrrad gekauft und bin losgeradelt. Leider darf ich das Rad nun nicht mitnehmen - die sibirische Superlinie Sibir' (man erinnere sich an meine Schimpfrede vom Januar) will happige 105 Dollar Frachtgebühr. Reichlich viel für ein Fahrrad, welches 45 Dollar kostet. Nun bleibt es hier bei Kollegen - irgendwann habe ich weltweit Fahrräder.

Auch im chinesischen Fernsehen ist die neue Welt angekommen. Etwa zwei Drittel sind Programm - vornehmlich wirklich dämliche und unheimlich schlecht gemachte Gameshows, daneben Serien -, etwa ein Drittel sind Werbung. Jedenfalls deutlich mehr, als man es in Europa kennt - trotz Sozialismus. Meine Lieblingswerbung betrifft Schuhmode: eine Engländerin, eine Russin und ein Chinese erklären in ihrer Muttersprache die Gemütlichkeit der Latschen. Dumm nur, dass die Engländerin garantiert nicht aus England und die Russin sicher nicht aus Russland sind. Zum Glück gibt es Untertitel, da kann man ihre Mitteilungen lesen.

Einige Sachen sind in Peking gleich geblieben - Essen bestellen ist noch immer lustig: dämlich gucken, mit den Händen fuchteln, dann entschlossen zu einem Tisch gehen, irgendwas Leckeres aussuchen und draufzeigen. Und dann gespannt warten, ob es auch so lecker schmeckt wie es aussieht. Meistens schon. (Spielverderber suchen Restaurants mit englischer Karte oder drucken sich eine deutsch-chinesische Liste mit den wichtigsten Zutaten.)

Ebenso die Definition von Herbst ist noch immer wie 2000: Mitte September ist der Sommer zu Ende. Auch wenn es über 25 Grad sind und die Sonne scheint - die Bäder werden geschlossen und die Klimaanlage vom Büro ausgeschaltet. Ökologisch sehr zu begrüßen, aber im Betriebsrestaurant im Keller wird das wirklich zur Quälerei - 100 Leute auf engstem Raum essen fettiges Essen, kein Fenster, keine Belüftung. Aber im Herbst braucht man das ja nicht. Also doch Planwirtschaft.

Ich kann Alle beruhigen, die Mauer steht noch, nur die Verbotene Stadt ist nicht verboten. Deswegen heißt sie neuerdings auch Palastmuseum.

Man könnte nun noch viel über China erzählen, aber das ein andermal! Morgen geht es zurück nach Sibirien, in den Altweibersommer, "Babje leto".