Briefe an Freunde, Moskau (Norbert Schott)

Weihnachten in der Heimat, Schnee

18. Dezember 2002

In Moskau liegen 10 Zentimeter Schnee, seit drei Wochen steigt das Thermometer nur noch selten über minus 15 Grad. Wir drei Ausländer haben inzwischen alle unsere Erkältung abbekommen - mich hat es diese Woche als letzten erwischt. 

Von Weihnachten merkt man hier natürlich recht wenig - ein paar Weihnachtsbäume stehen hier und da herum, mehr nicht. Adventssonntage oder Nikolaus kennt man gar nicht. Wie Olia erzählt, schenken sich wohl die Jugendlichen ab und zu am 25. Dezember etwas. Von den Eltern bekommt man zum neuen Jahr ein Geschenk - aber lange nicht so zeremoniell, wie bei uns am 24. Dezember. Das christliche Fest Weihnachten wird natürlich nach dem alten russischen Kalender gefeiert - also mit 14 Tagen Verspätung am 7. Januar. Einen Feiertag gibt es deswegen dennoch nicht. Im Gegenteil, wenn ihr daheim bei Kerzenschein familiäre Tage begeht, wird hier fleißig geübt. An Olias Hochschule werden vom 25. bis 31. Dezember Prüfungen geschrieben, an unserer direkt danach. 

Mag man das alles als unromantisch empfinden - für mich ist es das erste Weihnachten seit langem, auf welches ich mich richtig freue. Kein Geschäft schreibt einem vor, dass man nun in Weihnachtsstimmung sein muss. Auch das Fernsehen lässt einen in Ruhe. Ich wünsche mir ganz allein ein paar ruhige Tage - und das ist echt ein Genuss. 

Für meine Verlängerung gibt es bislang weder eine Zu- noch eine Absage. Die russische Seele will scheinbar weiter gehätschelt werden und lässt mich ein wenig zappeln. Lichtblicke sind erkennbar - ich schmiede inzwischen tausende Ausweichvarianten, falls es mit einem planmässigen Studium nicht klappt. 

Christian, Olga, NorbertVergangene Woche war ich zwei tage in Smolensk - eine sehr schöne Stadt im Westen. Eine alte Stadtmauer, weniger Neubauten, als in anderen Städten. Leider war es viel zu kalt, um Viel von der Stadt aufzunehmen. So habe ich mich dann doch ins Kino oder in Restaurants verzogen. Man merkt die Entfernung von Moskau - Essengehen kostet nur einen Bruchteil! Ich war in einem wirklich noblen Restaurant und habe für weniger als vier Euro Tee, Salat und Hauptspeise bekommen. In der Pizzeria kosteten Cola, Pizza und Salat zusammen zwei Euro. Dafür war die Pizza labrig - typisch neurussisch zubereitet, dass heisst in der Mikrowelle! Man hat hier einen Faible dafür, es gibt wirklich alles für dieses Meisterstück der Kücheneinrichtung. 

Das Ergebnis ist dann ein toller Bericht im Lonely Planet über "places to eat" in Smolensk: "At the time of writing 'stary rytsar' was trying to be a slick cellar bar with expensive food and darkdining grotto that smelled like a swimming pool. 'nautilus' is just as dark with four or five wooden booths and food that tastes like your little brother concocted it. Like most Russian restaurants, the menu has a page of strangely named salads: signoir pomidor turned out to be a chopped-up unripened tomato with some grated processed cheese and lots of mayonaise on top. The borsch had a sea of salt in it, and the escalop was a chunk of rubbery beef topped with melted cheese, relish and ketchup, and soggy fries on the side. It serves also spaghetti (at your own risk) and fish, though that might not be a pleasant experience given the critters are floating around in aquariums on each table. 'ladya' looked to be the best bet. The athmosphere was ships ahoy! 'stary gorod' is a maze of a smoky dining rooms. It serves chesseburgers, omlettes, schnitzel, myaso po franzusky (beef topped with cheese, mayonaise, tomato, ketchup and relish) as well as myaso po smolensky (dito without the cheese and tomato). 'kafe zarya' is fine for snacks but the restaurant did not look like it has had a costumer since communism collapsed. In summer, there's one of those omnipresent plastic chair and marlboro umbrella cafes next to ..." 

Immerhin eine leckere Fast-Food-Variante gibt es in Moskau: Backkartoffeln an jeder Ecke - gesund und lecker. Leider ist es inzwischen so kalt, dass man sich beim Essen die Hände abfriert. Deswegen lande ich doch öfter und öfter bei einem schnöden Hot-Dog.